„Deutsch lernen ist das Wichtigste.“ – Eine Einwanderin berichtet

Fragt ihr euch auch manchmal, wie das sein muss, seine Heimat aufzugeben? Wie fühlt es sich an, in ein ganz neues Land zu ziehen, die Sprache zu lernen, sich im Alltag zurechtzufinden und beruflich Fuß zu fassen? Ich stelle es mir nicht so leicht vor und habe daher großen Respekt vor allen, die die Herausforderung annehmen und diesen längeren Prozess erfolgreich durchlaufen.

So wie Ana Paula Grossi, die 2017 mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern aus Brasilien nach Deutschland kam. In ihrer alten Heimat war sie als Spezialistin für Qualitätsmanagement sehr erfolgreich. In Deutschland musste sie beruflich neu anfangen. Geholfen haben ihr dabei auch mehrere Kurse mit kaufmännischen Schwerpunkten und im Bereich Personalarbeit bei uns im IBB, das mit dem Qualifizierungsprojekt „Virtueller Lerncampus“ in das IQ Netzwerk Niedersachsen eingebunden ist. Dieses Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen ausländischer Herkunft ab.

Heute arbeitet Ana Paula Grossi als Projektassistentin bei der AWO Braunschweig am dazugehörigen Standort Wolfsburg – und hilft durch ihre Arbeit nun selbst anderen Migranten bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt.

Einen aufschlussreichen Einblick erhaltet ihr im folgenden Interview: vom Lernen in der Nacht über deutsche Zurückhaltung bis zum Zeitdruck an der Supermarktkasse. Viel Spaß dabei!

 

Frau Grossi, was war der Grund, Ihr Leben mit Ihrer Familie nach Deutschland zu verlegen?

Ich bin wegen der Arbeit meines Mannes nach Deutschland gekommen. Er ist Ingenieur und hat hier ein Jobangebot bekommen.

Wie schwierig war es, sich sprachlich und kulturell zurechtzufinden? Was waren dabei die größten Herausforderungen? Fühlen Sie sich inzwischen schon ein bisschen „deutsch“?

Um ehrlich zu sein, war es am Anfang sehr schwierig und herausfordernd, weil ich kein Deutsch konnte. Eigentlich einfache Dinge wie in den Supermarkt zu gehen, zum Beispiel muss man in Brasilien nicht so schnell an der Kasse sein. Oder mit meinem kleinen Sohn zum Kinderarzt zu gehen, das war alles sehr anstrengend, denn hier ist alles ganz anders. Nachdem ich Deutsch gelernt und mich an die Kultur gewöhnt habe, fühle ich mich besser. Deutsch lernen ist das Wichtigste, um sich in die Gesellschaft zu integrieren.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Brasilien und Deutschland? Was vermissen Sie an Ihrer alten Heimat?

Der Hauptunterschied zwischen Brasilien und Deutschland ist das Verhalten der Menschen. In Brasilien sind die Menschen sehr aufgeschlossen und hier eher zurückhaltend. Ich vermisse meine Familie – und etwas Bio-Obst und -Gemüse aus dem Garten meines Vaters in Brasilien.

Wie alt sind Ihre Kinder? Wie war es für Ihre Kinder, sich in einem neuen Land zurechtzufinden?

Ich habe zwei Söhne, einen 12-jährigen und einen 8-jährigen. Am Anfang war es schwierig, weil es die ganze Familie betraf. Aber nachdem sie Deutsch gelernt hatten, wurde alles besser. Beide sind hier zur Schule gegangen. Der Jüngste war 1 Jahr und 8 Monate alt, als wir kamen, und der Älteste war 6 Jahre alt. Heute sind die beiden super integriert und fühlen sich hier sehr wohl. Sie sehen Brasilien als Urlaubsort.

Was genau ist Ihre Position bei der AWO? Was sind dort Ihre Aufgaben?

Ich bin Projektassistentin bei der AWO. Mein Bereich heißt „AWO-Migrationsberatung – Teilprojekt Berufliche Integration von Migranten“ und ich arbeite für das Projekt „Aktiv in Arbeit“. Das ist ein Projekt, das Migranten bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt unterstützt.

Mein Standort ist Wolfsburg und meine Aufgaben sind: Projektverwaltung, Dokumentation, Projektabrechnung mit den Mittelgebern, Unterstützung von Beratungsanfragen, Vorbereitung von Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit.

Was macht Ihnen besonders Spaß an der Arbeit?

An meiner Arbeit gefällt mir am besten, dass ich mit Menschen aus verschiedenen Kulturen in Kontakt komme. Mein Arbeitsumfeld ist sehr angenehm und meine Kollegen sind sehr hilfsbereit. Obwohl mein Deutsch nicht perfekt ist, gibt mir die AWO die Möglichkeit, meine beruflichen Erfahrungen in das Projekt einzubringen, was für mich sehr wertvoll ist. Da ich ja selbst eine Migrantin hier in Deutschland bin, kann ich auch meine beruflichen und persönlichen Erfahrungen einbringen.

Wie sind Sie an Ihren neuen Job gekommen? Seit wann arbeiten Sie dort?

Während meiner Weiterbildung beim IBB habe ich immer wieder auf Jobportalen im Internet nach Stellenangeboten gesucht. Ich habe die Stelle im Internet gefunden und dachte, dass ich die Anforderungen erfülle. Außerdem ist die AWO eine Organisation, die ich schon immer bewundert habe. Ein weiterer Punkt war, dass ich auf der Suche nach einer Teilzeitstelle war, was hier zutraf.

Dann habe ich mich beworben und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Mein Berater, der bei der AWO im Projekt Start Guide arbeitet, hat mich auf das Vorstellungsgespräch vorbereitet und mir Tipps für die Bewerbung gegeben. Das Projekt Start Guide ist ein Projekt der AWO, das Migranten bei der Planung ihrer beruflichen Zukunft unterstützt. Bei der AWO arbeite ich seit dem 15. November 2023.

Inwiefern haben Ihnen die Kurse beim IBB geholfen?

Die Weiterbildung war sehr wichtig, um meine Kenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen und meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Kurse waren sehr gut strukturiert und haben mir geholfen, die Struktur der Wirtschaft in Deutschland zu verstehen und die Fachsprache in meinem Bereich zu lernen. Ich hatte so auch die Möglichkeit, mein Wissen über Büromanagement im Allgemeinen zu aktualisieren – vom Schreiben von Geschäftsbriefen bis zur Spezialisierung auf DATEV, die ich mit der Zertifizierungsprüfung erfolgreich abgeschlossen habe. Das IBB hat eine sehr wichtige Vermittlerrolle gespielt. Und natürlich musste ich mich anstrengen, um in allen Modulen mitzukommen.

Was war besonders gut, was vielleicht schwierig?

Ich kann mich nur beim gesamten Team des IBB bedanken, vom ersten Kontakt und der Hilfe, die Förderung zu bekommen, bis hin zur Unterstützung durch die Mitarbeiter der Standorte hier in Braunschweig. Die Dozenten sind sehr engagiert, die Online-Kursplattform ist sehr gut. Die Flexibilität, den Kurs von zu Hause aus absolvieren zu können, war für mich auch sehr wichtig, da ich kleine Kinder habe. Auch die im Kurs verwendeten Bücher waren sehr gut.

Der schwierigste und herausforderndste Teil für mich war Deutsch, weil ich nicht nur neue Inhalte, sondern auch jeden Tag neue Vokabeln gelernt habe und das war sehr schwierig. Ich musste immer zuerst den Inhalt lernen, um dem Unterricht folgen zu können. Ich habe immer gelernt, nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht habe, bis spät in die Nacht. Die DATEV-Zertifizierungsprüfung war auch sehr schwierig, ich musste viel lernen, um sie zu bestehen. Aber mit viel Mühe und Engagement habe ich es geschafft. Ich bin sicher, dass die Weiterbildung beim IBB sehr wichtig für meinen beruflichen Neustart hier in Deutschland war.

Haben Sie weitere berufliche Pläne und Ziele für die Zukunft?

Ich habe viele Jahre Berufserfahrung in Brasilien, aber hier musste ich wegen der Sprache wieder ganz von vorne anfangen. Deshalb möchte ich mein Deutsch weiter verbessern und als Verwaltungskraft oder Projektmanager weiterarbeiten und einen unbefristeten Vertrag bekommen. Da ich an einem Projekt arbeite, möchte ich vielleicht in Zukunft einen Kurs in Projektmanagement absolvieren, um mich auf diesen Fachbereich zu spezialisieren.

Was raten Sie anderen Leuten, die nach Deutschland einwandern?

Das Wichtigste ist, Deutsch zu lernen, denn ohne Deutschkenntnisse ist es sehr schwierig. Man muss geduldig sein und erkennen: Alles ist ein Prozess. Hier in Deutschland gibt es viele Projekte, die Zuwanderern helfen, sich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, zum Beispiel die Arbeitsmarktprojekte der AWO und natürlich Institutionen wie das IBB, um seine Kenntnisse aufzufrischen, was in meinem Fall einen großen Unterschied gemacht hat.

Ein Hobby von Ihnen ist das Kochen – kochen Sie inzwischen auch typisch deutsche Gerichte?

Die Küche ist für mich eine Leidenschaft. Ich koche mit großer Freude. Natürlich koche ich deutsche Gerichte. Meine deutschen Lieblingsgerichte sind: Kartoffelpuffer mit Apfelmus, Flammkuchen und Apfelstrudel.

Liebe Frau Grossi, vielen Dank für Ihre Antworten und Einblicke. Alles Gute und weiterhin viel Erfolg!
Thomas Horn

Alles rund um das geschriebene Wort – das ist Thomas' berufliches Metier beim Institut für Berufliche Bildung (IBB). Die Aufgaben reichen von der Produkt- und Online-Kommunikation bis zur Unterstützung im Bereich Presse/PR. Thomas erstellt außerdem Broschüren, Flyer, andere Printmaterialien und was sonst alles noch anfällt.

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Genau
Gast
Genau
8. März 2024 5:05

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