Warum Frauen ihre Elternzeit im Lebenslauf angeben sollten

Soll man die Elternzeit im Lebenslauf angeben oder doch lieber unter den Tisch fallen lassen? Diese kontroverse Frage haben wir uns in der Redaktion gestellt, nachdem wir die Ergebnisse einer Studie gelesen haben. Es heißt, Frauen, die eine kürzere Elternzeit angeben, haben schlechtere Chancen bei späteren Bewerbungen.

Meine Kollegin Anastasia hat mich vor einigen Tagen auf einen Artikel von EDITION F aufmerksam gemacht. Darin werden noch unveröffentlichte Studienergebnisse des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung ausgewertet, nach denen Frauen, die nur kurz Elternzeit genommen haben, bei späteren Bewerbungen benachteiligt würden.

So funktioniert die Studie über die Elternzeit

Der SPIEGEL schreibt dazu: „Für die Studie schrieb die Wissenschaftlerin Lena Hipp mehr als 700 fiktive Bewerbungen. Alle Aspiranten bewarben sich scheinbar aus einer festen Anstellung heraus und hatten ein etwa dreijähriges Kind. Der einzige Unterschied: Mal hatten sie für dieses Kind laut Lebenslauf seinerzeit zwei Monate Elternzeit genommen, mal für ein Jahr ausgesetzt. Das Ergebnis: Die Bewerberinnen, die im Lebenslauf zwölf Monate Elternzeit stehen hatten, erhielten anderthalb Mal so oft eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch wie die mit nur zwei Monaten Elternzeit.“ War der fiktive Bewerber ein Mann, so hatte die Anzahl seiner Väter-Monate keine messbare Auswirkung auf seine Bewerbungschancen.

Lena Hipp, die Macherin der Studie, wollte gerne die Gründe herausfinden, warum die unterschiedlichen Erziehungszeiten der Mütter auch unterschiedlich gewertet wurden. Sie fragte sich, ob es vielleicht an zugeschriebenen Charaktereigenschaften liegen könnte. In einem Laborexperiment legte sie mehreren Studierenden die Lebensläufe der erfundenen Bewerberinnen vor und bat sie, den Personen Charaktereigenschaften zuzuordnen. Das Ergebnis: „…, dass Mütter, die länger Elternzeit genommen hatten, im Schnitt als intelligenter eingestuft wurden, als die besseren Führungskräfte, als warmherziger, gutmütiger, weniger intrigant und weniger einschüchternd. Frauen, die nur fiktive zwei Monate auf dem Papier hatten, wurden als egoistischer und feindseliger eingestuft.“

Ein junger Mann und eine junge Frau in schwarzen Geschäftzanzügen sitzen auf der gelben Couch mit einem Baby auf dem Schoß
Wer von beiden kann sich eine kurze Elternzeit erlauben, ohne danach benachteiligt zu sein? AllaSerebrina/depositphotos

Wie sollte man die Elternzeit im Lebenslauf angeben?

Die Autorin des EDITION F-Artikels kommt zum folgenden Schluss:  „Lasst die Elternzeit im Lebenslauf doch einfach weg (sofern sich dadurch keine unerklärlichen Lücken oder Brüche ergeben)“.

Meine erste Reaktion: Sprachlosigkeit. Und danach: Fragen – jede Menge Fragen.

Leider liegt die Studie noch nicht öffentlich vor, dann wären einige dieser Fragen vielleicht schon beantwortet. Manches lässt sich auch durch Rollen(vor-)bilder, gesellschaftliche Klischees oder geschlechtsspezifische Vorurteile erklären. Aber ich hätte schon gerne (auch als Vater) einige Dinge gewusst:

  • Auf was für eine Stelle haben sich die fiktiven KandidatInnen beworben?

Je nach Branche, Karrierelevel und Aufgabengebiet können z. B. Rufbereitschaft oder eine zumindest zeitweise Reisebereitschaft notwendig sein. Bei einem zwei Monate alten Säugling gibt es logischerweise mehr „Unsicherheitsfaktoren“ als bei einem einjährigen Kind, die den betrieblichen Ablauf beeinträchtigen können.

  • Warum eigentlich wurden Studierende und nicht PersonalerInnen befragt?

Würdest du deinen Wagen, der verdächtige Motorgeräusche hat, auf dem Supermarktparkplatz abstellen und vorbeikommende Passanten fragen, warum der Motor nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert? Ich fand es irritierend, dass die Macherin der Studie sich dazu entschlossen hat, (einer leider nicht genannte Zahl von) Studierenden den fiktiven Bewerberinnen aufgrund der Lebensläufe Charaktereigenschaften zuzuweisen. Weder wird die Fachrichtung der Studierenden genannt, noch, was diesen Personenkreis zu solchen Aussagen qualifiziert. Seriöser wäre es in meinen Augen gewesen, Menschen „vom Fach“, spricht Recruiter und andere Personalverantwortliche um eine Bewertung zu bitten und diese dann unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten genauer zu untersuchen.

  • Warum wurden Charaktereigenschaften in den Vordergrund gestellt?

Die Autorin der Studie bat die beteiligten Studierenden, den fiktiven Bewerberinnen Charaktereigenschaften zuzusprechen. Die spannende Frage ist, ob damit nicht auch schon das Ergebnis der Studie beeinflusst wurde. Denn es wären ja auch andere Gründe denkbar gewesen, warum Bewerberinnen mit weniger Elternmonaten mehr Absagen erhalten haben, zum Beispiel eine geringere körperliche und seelische Belastbarkeit, ein möglicher Rollenkonflikt (Mutter/Vater und Arbeitnehmer), erhöhtes Terminaufkommen (Krippen-Anmeldung, Untersuchungen beim Kinderarzt etc.) und vieles mehr.

Erziehungszeiten weglassen? Ein wirklich komischer Ratschlag!

Was mich an diesem Artikel auf editionf.com aber wirklich sprachlos gemacht hat, sind weniger die (meiner Meinung nach etwas fragwürdigen) Ergebnisse der Studie, sondern vielmehr der „Rat“, die Elternzeit im Lebenslauf unter den Tisch fallen zu lassen („sofern sich dadurch keine unerklärlichen Lücken oder Brüche ergeben“).

Ganz ehrlich: Wenn du die Elternzeit im Lebenslauf (oder auch zum Beispiel Zeiten der Arbeitslosigkeit) weglässt, ergibt sich immer eine Lücke. Eigentlich logisch, oder? Zudem haben PersonalerInnen einen guten und geschulten Blick für Lebensläufe. Klar musst du nicht jeden einzelnen Tag belegen – das erwartet auch niemand. Aber eine Lücke von z. B. sechs Monaten ist nun mal erklärungsbedürftig.

Aus der Praxis heraus kann ich nur den Tipp geben: Sei ehrlich!

Ehrlichkeit ist die Basis eines jeden Arbeitsverhältnisses. Oder erwartest du von deinem (künftigen) Arbeitgeber etwa nicht, dass er zu dir ehrlich ist?

Aufnahme eines Handschlages zwischen einer Frau und einer anderen Person, aufgenommen von unten.
Eine klare Stellenbeziehung schafft Leichtigkeit im Job. ©stockasso/depositphotos

Wenn du schon angeblich als Mutter oder Vater deine Erziehungszeit verbergen oder unter den Teppich kehren sollst – was sollen denn dann Arbeitssuchende tun, denen man zuspricht, faul, unmotiviert und wenig qualifiziert zu sein?

Eine Anekdote aus meinem Alltag: Haftstrafe als „berufliche Orientierungsphase“ …

Einer meiner härtesten Fälle war ein Mann Ende Dreißig. Er kam relativ frisch aus dem Gefängnis, wo er eine zehnjährige Haftstrafe verbüßt hatte. Ein Bewerbungstrainer hatte ihm dazu geraten, die 10-jährige Haftzeit als „berufliche Orientierungsphase“ zu kaschieren.

Völliger Blödsinn! Was würdest du von jemandem denken, der so etwas in seinem Lebenslauf angibt? Eben!

Der Mann entschloss sich, sowohl im Lebenslauf als auch im Anschreiben seine Haftzeit ungeschönt anzugeben. Im Anschreiben stand, dass er zehn Jahre Zeit hatte, über den größten Fehler seines Lebens nachzudenken – jetzt wolle er neu durchstarten.

Das war sehr mutig – zwei Wochen später hat dieser Mann einen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Der Chef hatte ihm gegenüber betont, dass diese unbedingte Ehrlichkeit imponiert hätte.

In den vergangenen Jahren hatte ich weniger dramatische Situationen häufiger – und fast immer war die Reaktion von Firmen und Unternehmen: „Diese Ehrlichkeit fanden wir gut, das hat uns überzeugt.“

Und Ehrlichkeit ist die Basis eines jeden Arbeitsverhältnisses.

Die von den einzelnen Autoren veröffentlichten Texte und Artikel geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
11 Kommentare
Neueste
Älteste Meist bewertet
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Sandra M.
Gast
Sandra M.
25. April 2022 11:01

Dieser Artikel trifft leider vollkommen an der Lebensrealität der meisten Frauen vorbei. Die Studie ist sicherlich sehr unprofessionell. Da stimme ich absolut zu. Doch es ist in den meisten Fällen nun einmal so (da kann ich alleine aus meinem privaten Umfeld zig Beispiele nennen), dass Frauen mit Angabe der Kinder im Lebenslauf seltener eingeladen werden und sobald sie diese Angabe herausnehmen, erhalten sie mehrere Einladungen. Es ist natürlich leicht, aus Männer-Perspektive hier sowas zu schreiben. Man hat einfach von vornherein nicht mit denselben Vorurteilen zu kämpfen im Beruf wie das bei Frauen der Fall ist. Ich habe es früher auch… Weiterlesen »

Tina R.
Gast
Tina R.
26. März 2022 6:33

Ich mache gerade selbst die Erfahrung bei LinkedIn sehr viele Jobangebote zu erhalten, während ich nur Absagen bekomme, wenn ich mich eigeninitiativ mit meinem CV bewerbe, auf dem – im Gegensatz zu zu meinem LinkedIn Profil – die Elternzeit (10 Monate) angegeben ist. Nun habe ich die Elternzeit aus dem CV gestrichen und siehe da – ich erhalte Interview Einladungen. Was hat das zu bedeuten? Ehrlichkeit und Transparenz sind mir sehr wichtig. Wenn diese jedoch zu Benachteiligungen bei der Jobsuche führt, erachte ich es als Notwendigkeit die Elternzeit im CV weg zu lassen um die selben Chancen zu erhalten. Es… Weiterlesen »

Sandra L
Gast
Sandra L
25. November 2021 13:21

Ich bin auf diesen Artikel gestoßen, weil ich mir unsicher war, wie ich es zukünftig bei meinen Bewerbungsprozessen handhaben will – erwähne ich die zwei Elternzeiten oder nicht? Bisher habe ich die Kinder erst im Bewerbungsgespräch angebracht und das wurde wertschätzend aufgenommen. Nur zuletzt traf es einmal auf Verwunderung, weshalb ich mich überhaupt mit dem Thema auseinandersetze und hier gelandet bin. Unabhängig von der Studie (die ich ebenfalls für fragwürdig halte) ist mir beim Lesen klar geworden, dass ich es weiterhin so halten werde – keine Elternzeit im Lebenslauf. Das hat für mich nichts mit einem Mangel an Ehrlichkeit zu… Weiterlesen »

Cathrin
Gast
Cathrin
12. November 2021 9:15

Hallo zusammen, ich habe den Artikel auch gelesen – und soeben auch kommentiert: Man kann die Elternzeit natürlich weglassen und es wäre so einfach, wenn es pauschal so Sinn machen würde. Aber wenn sich jemand zum Beispiel mit 8 Jahren Berufserfahrung im letzten Job bewirbt und davon 5-6 Jahre in Elternzeit war, dann grenzt ein Weglassen eben auch an das Vormachen falscher Tatsachen (Berufserfahrung) – keine gute Basis im persönlichen Gespräch und für eine Zusammenarbeit. Und das ist nur EIN möglicher Fall. Als Recruiterin, Karriereberaterin und vor allem als Mutter muss ich ganz ehrlich sagen: Bevor ich mein Kind „unter… Weiterlesen »

Liliana
Gast
Liliana
3. Oktober 2021 14:22

Vorsicht! Der Vergleich zwischen 10 Jahren Haftvertuschung und 2-3 Monaten Elternzeit während bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht explizit zu erwähnen hinkt aber ordentlich! Zum einen wird hier die Methode der Studie kritisch hinterfragt, um dann selbst völlig unwissenschaftlich eine komplett unvergleichbare Anekdote als Gegenbeispiel ins Feld zu führen…. Statt solcher persönlicher Meinungen wünsche ich mir mehr Forschung in diesem Feld, welches leider auch der data gender gap zum Opfer fällt, weil die Mehrheit der Forschenden und Publizierenen nicht von diesem Problem betroffen ist. Während man bei jeder studie, wie auch dieser, vorsichtig mit Generalisierung sein muss, da hat der Autor recht, so… Weiterlesen »

Sophie
Gast
Sophie
8. Juli 2021 8:39

Ehrlichkeit und Authenzität sind essentiell, nicht nur im privaten Umfeld. Ich verlange von meinem Arbeitgeber selbiges mir gegenüber. Ich bin definitiv auch dafür, dass man sowohl die Elternzeit, als auch unschönere Dinge im Lebenslauf ehrlich angibt. Immerhin gehört dies zu der Biographie dieser Person. Vor allem für das Kind/ die Kinder und damit die Elternzeit habe ich mich doch bewusst entschieden, also stehe ich auch dahinter. Dennoch denke ich auch, dass es bei vielen Arbeitgebern als Hindernis gesehen wird, Mama, Papa, Eltern zu sein. Das ist eine fatale Entwicklung… Hierfür hat sich sogar schon eine Initiative gegründet: #proparents (es gibt… Weiterlesen »

Kerstin
Gast
Kerstin
8. Januar 2021 13:41

Natürlich darf frau die Elternzeit im Lebenslauf „weglassen“ und muss auch nicht erwähnen, dass sie ein Kind hat. Eine Lücke gibt es im Lebenslauf nicht, schließlich bestand das Arbeitsverhältnis. Das hat auch nichts mit Unehrlichkeit zu tun, sondern schlicht mit der Benachteiligung von Frauen: Mütter sind diejenigen, die häufiger zu Kinderarztterminen gehen, das kranke Kind betreuen, sich um das Kind kümmern etc als Väter. Diese Tatsache – oder dieses Vorurteil – führt dazu, dass Frauen mit Kindern oder im gebärfähigen Alter schlechtere berufliche Chancen haben, unabhängig davon, ob sie sich tatsächlich überwiegend um das Kind kümmern oder ob sie überhaupt… Weiterlesen »

Christelle
Gast
Christelle
2. August 2019 9:32

Ich bin leider nach meiner Elternzeit gekündigt worden und die Jobsuche danach war nicht einfach. Ich habe mich so gefühlt, als ich eine Straffe, dafür bekommen würde, ein Kind bekommen zu haben. Nach 6 Monate Suche kam ich auf die Idee, Elternzeit bzw. Kind vom Lebenslauf wegzunehmen. Da hatte ich so viele Einladungen zum Gespräch (mind. 3/ Woche) ebenfalls ohne Erfolg, da ich im Gespräch davon erzählt habe. Nach 2 Monaten habe ich es wieder umgestellt. Mein Kind ist ein Teil von mir und Mutter zu sein ist keine Straftat.

Tanja
Gast
Tanja
3. Mai 2019 13:55

So gesehen könnte man aber eigentlich auch lügen, oder? Denn im Lebenslauf sieht ja der neue Arbeitgeber nicht, wie lange man tatsächlich weg war. Denn in der Zeit war man ja Mitarbeiter einer Firma.

Thomas Horn
Admin
Thomas Horn
9. Mai 2019 8:31
Antwort an  Tanja

Hallo Tanja,
ja, theoretisch könnte man es dann „vertuschen“. Aber warum sollte man? Weil man gegegnüber dem potenziellen Arbeitgeber verleugnen will, Kinder zu haben? Wie der Artikel bereits beschreibt: Die Basis einer guten (und langfristigen) Zusammenarbeit kann nur Ehrlichkeit sein.
Viele Grüße,
Thomas (Redaktionsteam)

S. Reum
Gast
S. Reum
18. März 2019 14:53

Ja, ich kann diesem Artikel und der Meinung von Herrn Kleine-Weischede nur zustimmen. Nur Ehrlichkeit kann eine gute Basis für einen Neuanfang in jeglicher Art sein.

11
0
Über einen Kommentar freuen wir uns!x