Digitalisierung – Was weiß ich denn?!

Die Begriffe Digitalisierung und Industrie 4.0 beschäftigen uns als Gesellschaft, Arbeitnehmer und Wirtschaftsbeteiligte immer intensiver. Gegenwärtig befindet sich nicht nur die Arbeitswelt in einem Umbruch. Durch den Datenskandal von Facebook und die massenhaften Fake News im Internet merken wir auch im privaten Bereich deutlich, dass die fortschreitende Vernetzung und Digitalisierung nicht nur Vorteile mit sich bringt. Für viele Menschen ist allerdings der Wandel in der Berufswelt beängstigender. Hier herrscht teilweise große Unsicherheit vor.

 

Was bedeutet die Digitalisierung für mich und meinen Beruf?

Werden wir in der Zukunft mit einer neuen Form der Massenarbeitslosigkeit konfrontiert sein? Diese und weitere Fragen beschäftigen uns in irgendeiner Form alle.

Deshalb vorab: Jede technologische Entwicklung hat bisher Arbeitsplätze überflüssig gemacht, zugleich aber viele neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen.

Es ist also höchstwahrscheinlich, dass das auch bei dieser vierten industriellen Revolution der Fall sein wird.

Das bedeutet aber nicht, dass wir einfach weiter machen können wie bisher. Jeder einzelne Mensch in unserer Gesellschaft wird sich auf die weiteren Auswirkungen der Digitalisierung im Arbeits- wie im Privatleben vorbereiten müssen. Wie stark und umfassend diese Auswirkungen sein werden, kann aktuell noch niemand mit Bestimmtheit sagen. Eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zeigt allerdings eine deutliche Verschiebung des Kompetenzbedarfs bis 2030 auf.

Das bedeutet, dass durch Digitalisierung und Automation der Bedarf an niedrigqualifizierten Menschen drastisch zurückgehen wird. Routinearbeiten wie die Überwachung und Steuerung von Fertigungsmaschinen oder simple Bürotätigkeiten werden nach und nach automatisiert. Stattdessen entsteht ein großer Bedarf an digitalen Fachkräften (vgl. BMAS 2017).

Ein ähnliches Ergebnis zeigte auch eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom. Demnach sind in vielen Unternehmen Berufe wie Bauzeichner, Drucker oder Lageristen verschwunden. Jedoch kamen auch viele neue dazu. Ob Roboter-Koordinatoren, Data-Mining-Spezialisten oder 3D-Druckspezialisten, die Digitalisierung und Automation bringt neue Tätigkeitsfelder mit sich. Insgesamt 87 % der befragten Unternehmen sehen in naher Zukunft die digitale Kompetenz als genauso wichtig an wie andere fachliche oder soziale Kompetenz (vgl. Bitkom 2016). Wir werden in der nächsten Zukunft keine rein digitale Arbeitswelt erleben, aber eine deutlich digitalisiertere als es heutzutage der Fall ist. Es wird rein digitale Berufe ebenso geben wie hybride Berufe mit gemischt analog-digitalen Tätigkeiten. Auch wird es vereinzelt noch vollständig analoge Tätigkeiten geben, die ohne jegliche technische Unterstützung auskommen (müssen). Diese werden aber nach und nach ebenfalls von der technologischen Entwicklung erfasst.

 

Welche Branchen sind betroffen?

Neben den einzelnen Berufsgruppen werden sich auch die Branchen unterschiedlich schnell und unterschiedlich stark durch die neuen Technologien verändern. Experten des Global Center for Digital Business Transformation prognostizierten 2017, dass nach den Branchen Medien, IT, Handel, Finanzen und Telekommunikation die Bereiche Verbrauchsgüter, Bildung, Tourismus und Produktion als nächstes einem Wandel verfallen. Die Bereiche Logistik, Immobilien, Pharma und Energieversorgung werden anschließend folgen (vgl. Ternes, Schieke 2018). Selbst im Bereich Bau und Rohstoffförderung gibt es starke Tendenzen, digitale Technologien zu nutzen.

Der Einsatz digitaler Technik ist heute keine Ausnahme, sondern wird mehr und mehr zur Regel.

Mit ein wenig Kreativität lassen sich die spannendsten Anwendungen moderner und digitaler Technik im eigenen Arbeitsbereich ersinnen. Ob Vermessungsdrohnen für Handwerker, datengestützte Disposition oder vernetzte Ladungsträger im Lager zur permanenten Echtzeitinventur. Überall kann durch Technik das Leben und Arbeiten erleichtert werden. Denn angelehnt an Carly Fiorina, ehemalige CEO von HP, gilt: Wenn Technik eingesetzt werden kann, wird sie auch eingesetzt werden.

 

Das Lernen wieder erlernen

Das Thema „Lernen“ rückt damit für uns alle wieder in den Fokus. Es geht nicht nur darum, diese neuen Techniken kennen und nutzen zu lernen. Vielmehr werden viele Menschen erstmal das Lernen wieder lernen müssen. Die meisten von uns haben seit dem Ende der Ausbildung oder dem Abschluss an einer Hochschule nicht mehr wirklich gelernt. Natürlich lernen wir jeden Tag auf der Arbeit oder in der Freizeit neue Dinge. Dies geschieht aber meistens nebenbei, unstrukturiert und zufällig. Zielgerichtetes Lernen mit einem festen Ziel, einer Lernmethode und einer Strategie findet in unserem Alltag so gut wie nicht statt. Das wird in der Zukunft aber immer wichtiger werden.

Denn die Veränderungen geschehen in immer höheren Geschwindigkeiten. Schon in den 1970er Jahren prognostizierte Gordon Moore eine Verdoppelung der Rechenleistung alle ein bis zwei Jahre (vgl. Moore 1965). Diese Prognose hat sich seitdem immer wieder bewahrheitet, das exponentielle Wachstum der Rechenleistung wurde Realität. Mit den immer schnelleren Rechnern werden auch immer komplexere Programme möglich, die ihrerseits wieder für weitere Entwicklungen und Nutzungsbereiche sorgen. Wir erleben jedes Jahr neue Generationen von Smartphones, Tablets und Apps.

Auf einem Tisch liegen mehrere Bücher, ein Mann liest in einem, darüber steht lifelong learning.
Mit der Digitalisierung mithalten – am besten durch lebenslanges Lernen.

Wir sollten uns also auf eine Zukunft einstellen, in der spätestens alle zwei Jahre eine neue, wirkmächtige Technologie auf den Markt gelangt. In dieser Zukunft wird das Neue zu einem festen Bestandteil in unserem Leben werden und der Wandel damit ein ständiger Begleiter in der Arbeitswelt.

Die Digitalisierung werden diejenigen als Gewinn betrachten, die in der Lage sind, sich den neuen Umständen am effektivsten anzupassen. (Summa 2016)

 

Wie geht das in der Praxis?

Doch wie lernt man das Lernen wieder, wenn das eine zukünftige Schlüsselqualifikation darstellt? Ich glaube, darauf kann es keine allgemeingültige Antwort geben. Lernen geschieht individuell und ist damit von Mensch zu Mensch verschieden:

  • Es gibt geborene Autodidakten, also Menschen, die sich auf ihre Art Dinge selbst beibringen können.
  • Es gibt Anwender, die Learning by Doing praktizieren
  • und Auswendiglerner, die gerade das nicht tun.

Und bestimmt noch viele Lernarten mehr. Wichtig ist, seinen persönlichen Weg des Lernens zu finden. Da man diesen nicht von vornherein kennt, bestenfalls aus eigener Erfahrung in Schule, Ausbildung und Studium gute Ansätze sieht, muss man einfach mal was ausprobieren. Gerade in diesem Einfach-mal-Machen liegt viel Potential für die Zukunft. Da keiner weiß, wie sich die einzelnen Bereiche der Arbeitswelt entwickeln, kann man prinzipiell auch nichts verkehrt machen, wenn man etwas ausprobiert. Also los!

 

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Einer meiner Professoren an der Universität hat uns in jeder Mathematikvorlesung mit dem Spruch „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ zum Lernen und Anwenden animiert. Heute sehe ich in diesem Satz mehr als den Versuch, Studenten im ersten und zweiten Semester mit der höheren Mathematik vertraut zu machen. Er mahnt dazu, sein Leben selbst zu organisieren und eigenverantwortlich zu gestalten.

Die eigene Karriere, das eigene Fortkommen im Beruf und privat, liegt nicht in den Händen der anderen Menschen, sondern in unseren eigenen. Jeder kann im Internet nach einer Fortbildung in seinem Beruf suchen.

 

Hierfür gibt es unzählige Möglichkeiten:
  • Meister, Techniker, berufsbegleitendes Studium, Fach- oder Betriebswirt oder weitere Qualifikationen.
  • Wem das zu viel und zu verbindlich ist, der kann es mit dem Selbststudium probieren. Man sucht sich ein Thema aus und schaut mal nach den Inhalten im Internet.
  • Unzählige Videos auf den verschiedensten Plattformen vermitteln Kenntnisse und Fähigkeiten aus allen Bereichen.
  • Wikipedia und unzählige Blogs teilen nahezu das gesamte Wissen der Menschheit – meistens sogar kostenlos.

Man kann mit seinen Vorgesetzten oder der Personalabteilung sprechen und den Bedarf an einer Fort– oder Weiterbildung anmelden. Jeder gute Personalverantwortliche weiß, dass die Mitarbeiter weiterentwickelt werden müssen und wird motivierten Mitarbeitern passende Angebote machen.

Es wird niemals schaden, neue Dinge zu lernen. Wissen ist seit über 250 Jahren der Rohstoff unseres Landes, Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Das eine wird ohne das andere in der Digitalisierung nicht bestehen.

Deshalb wünsche ich viel Spaß dabei, das Lernen zu lernen, beim Entdecken und bei all den neuen Dingen auf dem Weg in die „berufliche Zukunft“!

Euer Merlin Müller

 

Literatur und Quellen:

BMAS (2017): KOMPETENZ- UND QUALIFIZIERUNGSBEDARFE BIS 2030 Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Referat Zukunftsgerechte Gestaltung der Arbeitswelt und Arbeitskräftesicherung.

Ternes, Schieke (2018): Ternes, A., Schieke, S. (2018) Mittelstand 4.0 Wie mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung den Anschluss nicht verpassen. Wiesbaden: Springer Gabler.

Moore (1965): G. E. Moore: Cramming more components onto integrated circuits. In: Electronics. Band 38, Nr. 8, 1965, S. 114–117.

Summa (2016): Leila Summa: (Un)Bequeme Denkimpulse für Veränderung zugunsten einer digitalen Welt. In: Digitale Führungsintelligenz: „Adapt to win“ Wie Führungskräfte sich und ihr Unternehmen fit für die digitale Zukunft machen. S. 13-17. Wiesbaden: Springer Gabler.

Merlin Müller

Als Geschäftsführer der SITRA Spedition GmbH und externer Doktorand am Institut für Logistik und Unternehmensführung der Technischen Universität Hamburg-Harburg beschäftigt sich Merlin A. Müller schon seit einigen Jahren mit den Herausforderungen der Digitalisierung in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Insbesondere die Auswirkungen auf Führungskräfte und das Arbeitsleben stehen im Mittelpunkt seiner Arbeit.

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