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Interview mit Anzhelika Zavhorodnia, Dozentin mit Verwaltungsaufgaben im Kontext Ukraine

Portrait von Anzhelika

Angelika, bitte stell dich einmal kurz vor.

Ich heiße Anzhelika Zavhorodnia, komme aus der Ukraine und arbeite beim IBB als Dozentin mit Verwaltungsaufgaben.  

Was hast du vorher beruflich gemacht?

In der Ukraine habe ich als Lehrerin für Literatur und als Unternehmerin gearbeitet. Ich hatte ein kleines Unternehmen mit meiner Business-Partnerin. Das war ein Kids Club für Nachhilfe und verschiedene Freizeitaktivitäten für Kinder, wie Freizeitlager.  

Hast du damals schon Deutsch gesprochen? 

Ja, in der Ukraine habe ich schon ein bisschen Deutsch gelernt. Ich denke, das war etwa das A2-Niveau, weil ich fünf Jahre in einer deutschen Schule in Kiew gearbeitet habe. Meine Kollegen waren Deutsche und alle Prozesse waren auf Deutsch, darum musste ich Deutsch ein bisschen verstehen. 

In welchem Jahr bist du nach Deutschland gekommen?

2022. Aber zum ersten Mal habe ich Deutschland schon 2016 besucht. Das war eine Dienstreise von dieser deutschen Schule aus und ich war damals zu einem zweiwöchigen Deutschkurs in Heidelberg.

Und seit 2022 wohnst du jetzt in Deutschland?

Ja, genau. 

Ich komme aus einem besetzten Teil der Ukraine und bin sehr schnell geflüchtet. Und jetzt darf ich nicht zurückfahren, zurückkehren.

Wie war damals die erste Zeit in Deutschland für dich bei deinem zweiten Besuch? 

Also insgesamt war das nicht das zweite Mal, weil ich 2017 noch einen zweimonatigen Deutschkurs in Mannheim besucht habe und ein paar Mal noch als Touristin in Deutschland war. 

Insgesamt waren die deutsche Kultur und die Traditionen also für mich nicht fremd. Ich wusste schon viel. Und in dieser deutschen Schule war das Programm von Thüringen, darum haben wir alle Feste gefeiert wie in Deutschland. Also Valentinstag, Frühlingsfest und so, das war für mich alles schon bekannt. Darum war das nicht so stressig.

Die deutsche Kultur kannte ich also schon, aber die erste Zeit war dennoch ein bisschen kompliziert. Alltägliche Sachen wie zum Beispiel eine Wohnung suchen, umziehen, Verträge schließen, ein Bankkonto erstellen, das war kompliziert natürlich.

Das kann ich mir vorstellen. Wie kam es dazu, dass du damals zum IBB gekommen bist?

Es ist sehr interessante Geschichte. In Mannheim hatte ich 2017 eine polnische Frau kennengelernt, sie war auch Teilnehmerin. Als der Krieg begonnen hat, hat sie mir geschrieben, dass sie in Deutschland ist. Und wenn ich Unterstützung brauche, in Polen zum Beispiel, könnte sie mir helfen, nach Deutschland zu kommen.  

Sie hat dann auch geschrieben, dass sie einen Deutschkurs beim IBB beendet hat. Und wenn ich einen Kurs suche, kann sie mir den empfehlen.  

Und dann hat sie mir geschrieben, dass ein Kurs beim IBB beginnt. Das war ein Kurs von freiwilligen Lehrern für ukrainische Flüchtlinge von Beginn an, also für Deutsch A1, und ich hatte schon Deutsch A2. Die Lehrerin von damals ist eine heutige Kollegin.  

Meine Bekannte hat mir den Kontakt gegeben. Und die Lehrerin von damals und Tammo Schäfer, heute mein Chef, haben zu mir gesagt: „Vielleicht möchtest du uns unterstützen, weil du Deutsch schon ein bisschen verstehst? Du könntest für uns ein bisschen übersetzen und vielleicht auf Ukrainisch Flyer machen und so.“  

Also als Freiwillige und das war sehr gut für mich, weil zu dieser Zeit war ich sehr frustriert und in einer Depressionszeit, weil meine ganze Familie, meine Verwandten und Bekannten in der Ukraine geblieben sind. Das war eine sehr kritische Zeit für mich. Ich habe gedacht, etwas für andere Leute machen und andere Leute ein bisschen unterstützen, das wäre gut für mich. Dann denke ich nicht nur an den Krieg, sondern an andere Sachen. Und dann habe ich begonnen.  

Zwei Monate später habe ich dann ein Angebot bekommen für einen Minijob beim IBB. Und das war auch interessant. Ich habe einen Minijob beim IBB angeboten bekommen und ein Angebot als Vollzeit-Lehrerin für einen Integrationskurs in Berlin. Aber für Berlin ich war noch nicht bereit. Ich war noch in einem gestressten seelischen Zustand und dachte: „Besser den Minijob und online.“  

Und dann habe ich meinen Lebenslauf gesendet und mein Zeugnis übersetzt. Ich habe einen Master im Bildungsbereich und Erfahrung als Leiterin im Bildungsbereich. Ich habe mehr als zehn Jahre als Lehrerin gearbeitet. Ich habe dann einen Anruf bekommen und mir wurde eine Vollzeit-Stelle angeboten.  

Toll.

Ja und dann haben wir begonnen, unser erstes Projekt mit Ukraine-Flüchtlingen zu starten, Start Now, und dann Bridge und später den Integrationsturbo. Das ist die Geschichte.

Und du hast den Menschen in den Deutschkursen dann Deutsch beigebracht, richtig?

In den drei Jahren hatte ich verschiedene Aufgaben. Zu Beginn war der Deutschkurs, ja. Dann später auch Einzelcoachings. Und ich bin Ansprechpartnerin für Interessenten und zukünftige Kund:innen.  

Kannst du mal erzählen, wie so ein Deutschkurs ist, wie das virtuell funktioniert? Wie kann man sich das als Kunde vorstellen? 

Während der Corona-Zeit haben die Schulen online gelernt und die Eltern haben unterstützt. Einige wissen also schon sehr gut, wie der Online-Lernprozess funktioniert.

Für Kunden war es nicht schlecht. Also es war bequem, das war weniger Stress und viele Kunden waren zufrieden, sehr zufrieden.

Und ich kann zum Beispiel etwas auf Deutsch und auf Ukrainisch übersetzen. Oder auf Russisch unterstützen. Zum Beispiel bei organisatorischen Fragen, also wo ist der Stundenplan, wann treffen wir uns virtuell und so.

Ich nutze viele verschiedene interessante Methoden im Unterricht, weil ich das schon früher in der Ukraine benutzt habe. Also mit einem geteilten Board, mit interaktiven Aufgaben.  

Das war cool. Ich habe mit Leuten kommuniziert, die genau die gleichen Sachen wie ich erlebt haben. Wir haben das gleiche Ziel: Wir wollen uns hier integrieren und Deutsch beherrschen, lernen und verbessern.

Angelika, schön, dass du im Unternehmen bist. Jetzt feiern wir ja 40 Jahre IBB. Gibt es Veränderungen, die du während deiner Zeit miterlebt hast beim IBB? 

Ich lerne immer wieder was Neues. Erst habe ich bei Start Now mitgearbeitet, dann bei Bridge, jetzt bin ich im IQ-Projekt.  

Aber es freut mich auch, weil ich meine Kompetenzen, meine Soft Skills und Hard Skills, immer weiter entwickeln kann. Es ist interessant für mich - die vielen verschiedenen Projekte.

Es gibt viele Menschen draußen, die sich noch unsicher sind bezüglich einer Umschulung, einer Weiterbildung oder einem Coaching. Was würdest du diesen Menschen raten?

Ich denke, die Leute sollten ein klares Ziel haben und verstehen, was sie möchten. Und offen sein für verschiedene Angebote und dann eine Entscheidung treffen und eine Umschulung oder Weiterbildung beginnen.  

Ich habe mit unseren Teilnehmern gesprochen und viele Interessenten oder unsere Kunden sagen: “Wir sind sehr dankbar, dass wir diese Weiterbildung gefunden haben.” Und: “Das ist sehr cool, dass wir diese Finanzierung bekommen haben.”  

Ich bin auch froh, dass Leute diese zweite Chance bekommen. Sie können ein neues Werk beginnen und ihre Fähigkeiten ausbauen.

Was würdest du anderen Geflüchteten raten, wie sie sich am besten in Deutschland integrieren können? Ich denke, Sprache ist da wahrscheinlich der Schlüssel, oder?

Also man muss akzeptieren, dass man in einem anderen Land ist, das ist das Erste. Und man muss Regeln verstehen und diese Regeln mitspielen.  

Ich weiß, viele Leute haben diesen Protest in sich, weil ihre Flucht nicht freiwillig war. Solange man diesen Protest hat, desto schwieriger kann man sich integrieren. Man muss einfach akzeptieren: “Okay, ich bin da. Was kann ich weiter machen?”  

Und ja, man muss Deutsch lernen. Die Sprache lernen, Traditionen beobachten, verschiedene Feste.  
Ich besuche alle Feste in meiner Stadt: Bierfest, Weinfest … weil ich diese Kultur verstehen möchte. Weil ich meine Stadt, die Bürger, wo ich wohne, verstehen möchte.

Und Kontakte knüpfen ist natürlich auch wichtig, also zum Beispiel in einen Wanderclub oder einen Sprachclub eintreten.  

Dieses Jahr bin ich in eine neue Wohnung gezogen und so viele Leute haben mich unterstützt und mir geholfen. Mit Streichen, Möbel kaufen, Möbel aufbauen, die Waschmaschine anschließen. Ein Bekannter hat zu mir gesagt: „Hey, du wohnst hier nur zwei Jahre, aber das wirkt wie zehn Jahre.“

Also Kontakte schließen ist wichtig.

Toll. Jetzt habe ich noch eine letzte Frage und zwar: Bitte beschreibe das IBB mit drei Worten.  

Also das erste Wort ist Unterstützung.
Das zweite ist Entwicklung. Es passiert immer etwas Interessantes. Dazu die internen Mitarbeiterschulungen vom TeamCollege. Man kann sich immer weiterentwickeln. Das gefällt mir.  
Also Unterstützung, Entwicklung und Vielfalt.

Ich danke dir ganz herzlich.

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