Interview mit Michaela Meier-Rinke von AWT

Frau Meier-Rinke, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Ja. Ich bin seit über 25 Jahren in der beruflichen Erwachsenenbildung tätig. Die AWT ist fast mein erster oder auch mein einziger Arbeitgeber. Mit ihm habe ich seit 1999 schon viele Bereiche in der beruflichen Erwachsenenbildung miterlebt. Gesetzesänderungen, Veränderungen in den Zielgruppen, gesellschaftliche Veränderungen, die jetzt so auch maßgeblich sind, die den Menschen auch anders gemacht haben.
Ich bin seit 2006, also 20 Jahre, die Leiterin des Schulungsstandortes Leinefelde und verantwortlich quasi für alles hier. Ich habe alles in der Kooperationsgeschichte mit dem IBB miterlebt, vom Aufbau des virtuellen Klassenzimmers bis hin zur eigenen Zulassung des AWT. Berufe sind mein Leben, sag ich immer.
Jetzt besteht die Partnerschaft zwischen dem IBB und AWT ja seit zehn Jahren. Wie ist es denn damals dazu gekommen?
Es gab 2015 die Kontaktaufnahme des IBB und einen ersten Besuch mit Vorstellung des virtuellen Klassenzimmers. Das war damals noch etwas ganz Neues und wir waren uns einig, dass das die Zukunft ist. Wir haben uns da gleich wohlgefühlt in den Gesprächen und haben Vertrauen entwickelt.
Es hat dann etwa ein Dreivierteljahr gedauert mit den vertraglichen Dingen. Die ersten Kunden wurden dann erst mal in Leinefelde aufgenommen und in Mühlhausen ein Jahr später.
Man hat dann jedes Jahr einen Teilnehmeranstieg wahrgenommen. Aus zwei Teilnehmern wurden sechs, dann zehn und mittlerweile haben wir mit Mühlhausen und Leinefelde regelmäßig um die 45 Teilnehmer:innen. Die Umschulung nimmt dabei mittlerweile mehr als die Hälfte der Teilnehmenden ein.
Können Sie noch mal kurz darauf eingehen, welche Arten von Qualifizierungen Sie in Kooperation mit dem IBB anbieten? Es sind ja zum Beispiel nicht nur Weiterbildungen, es sind auch Umschulungen.
Genau, die beiden Segmente sind es. Nachgefragt werden Umschulungen eigentlich in fast allen Bereichen, wobei wir die meisten Umschüler in der Fachinformatik und im kaufmännischen Bereich haben.
Im Lerncampus, also im Weiterbildungsbereich, erstreckt sich das über alle Branchen hinweg, nehme ich an?
Grundsätzlich können wir alles anbieten. Besonders nachgefragt wird EDV und der kaufmännische Bereich. Auch Pflege und Medizin ist ein großer Schwerpunkt. Oder Pädagogik und Soziales zum Beispiel mit dem Schulbegleiter. Und der Sprachbereich.
Was sind das so für Menschen, die an den Kursen teilnehmen?
Zum Großteil sind es Menschen im Arbeitslosengeld- bzw. im Bürgergeldbezug. Etwa jeder 10. kommt von einem Reha-Träger wie der Rentenversicherung. Tendenz steigend. Gelegentlich haben wir auch mal einen Selbstzahler oder Firmenkunden dabei.
Können Sie kurz erläutern, wie die Zusammenarbeit in der Praxis abläuft?
Nachdem wir das Beratungsgespräch geführt haben und der Bildungsplan steht, melden wir den Kunden beim IBB an und geben alle benötigten Informationen weiter. Der Prozess ist mittlerweile größtenteils digitalisiert und automatisiert über Portale abgebildet. Im Bedarfsfall - bei Fragen o.Ä. - sprechen wir das Kooperationsmanagement des IBB an.
Qualitativ gibt es ja keinen Unterschied, bei welchem Bildungsanbieter der Kurs letztendlich gemacht wird. Wenn es ein Viona-Kurs ist, dann ist die Qualität gleichbleibend hoch. Lediglich die persönliche Betreuung, die ist über den jeweiligen Standort geregelt.
Ja, das ist richtig.
Welche Vorteile bietet die Kooperation den Teilnehmer:innen?
Wir sind hier in einem sehr ländlichen Bereich von Deutschland unterwegs. Der größte nähere Ort ist Mühlhausen, das hat so um die 30.000 Einwohner. Im Landkreis Eichsfeld zählen wir sehr viele Dörfer mit Einwohnern um die 200 bis 500 Personen - mehr nicht. Und zwar von der Wiege bis zur Trage. Da ist es schon immer schwer für uns gewesen, aufgrund des kleinen Einzugsbereichs, Weiterbildungen in Gruppen zu führen.
Dann haben wir eine geringe Arbeitslosenquote. Das ist erfreulich für die Region, bedeutet aber auch: Sie haben ein, zwei bildungswillige Personen für ein Bildungsziel und können es nicht mehr bedienen.
Ohne das Online-Klassenzimmer würde man Bildung nicht in den ländlichen Bereich bringen können. Das wäre eine echte Benachteiligung für Menschen, die nicht in einer größeren Stadt wohnen, die nicht so selbstverständlich auf ein gutes öffentliches Verkehrsnetz vertrauen können, denn bei uns fährt der letzte Bus oftmals um 15 Uhr.
Und beim Online-Klassenzimmer ist ein großer Vorteil, dass eine Erweiterung der Qualifizierungsmöglichkeiten für jeden Bedarf bis in die letzte Ecke von Deutschland gebracht werden kann.
Das haben Sie schön gesagt, danke schön.
Ja, und es ist natürlich toll, wenn ich das in einem kleinen Dorf auch von zu Hause aus machen darf. Dann hat man auch wenig Konkurrenz, da bin ich der Spezialist und kann mir meinen Arbeitsplatz aussuchen.
Früher musste man für die Weiterbildung Aufwendungen hinnehmen, die vielleicht nicht familiär realisiert werden können. Es kann nicht jeder die Woche über weg sein und irgendwo lernen, wenn Kinder da sind. Und das ist richtig, richtig schön.
Manche Wege geht man eben auch nur einmal in fünf Jahren. Aber für genau diese Person ist es wichtig.
Ich habe noch einen Vorteil: Mit dem Online-Klassenzimmer haben wir die Leute dazu gezwungen, sich mit neuen Medien auseinanderzusetzen. Die Menschen haben Kompetenzen erlangt, die nicht nur beruflich, sondern auch privat von Vorteil sind.
Die Digitalisierung hat die Möglichkeiten erweitert in jeglicher Hinsicht, das ist ein großer Vorteil. Es ist wichtig, in den allgemeinen Kompetenzen des Lebens zeitgemäß zu sein. Ich kann noch dazu sagen: Als Corona kam, hatten wir fünf Jahre Erfahrung und vom ersten Tag an ein System zur Verfügung. Das IBB hat uns hier an die Hand genommen und uns alles bereitgestellt, sodass wir unsere eigenen Kurse durchführen konnten. Wir konnten am Tag eins mit unseren Teilnehmern in ein Online-Klassenzimmer wechseln, das funktioniert hat. Und wir hätten das so nicht geschafft, wenn wir das IBB nicht als Partner gehabt hätten und auch nicht ohne die Erfahrungswerte. Das schüttelt man auch nicht innerhalb von einer Woche aus den Ärmeln. Auch wir haben gelernt, moderner zu arbeiten mit dem IBB.
Oh, dankeschön.
Also ich hätte meine Kompetenzen ohne das Online-Klassenzimmer auch nicht auf dem Stand, wo sie jetzt sind. Da habe ich auch profitiert in jederlei Hinsicht. Letztendlich darf ich froh sein, dass ich ein Teil davon sein konnte.
Nun haben wir die Vorteile für Teilnehmer:innen betrachtet. Und welche Vorteile sehen Sie für sich als Partner?
Jeder Beruf und jede Branche verändern sich so schnell. Als kleiner Bildungsträger schafft man das nicht in der Gänze. Wenn wir da nicht die Fachbereiche hätten, die das für sich dann betrachten und berücksichtigen. Das könnte doch kein einzelner Mensch oder ein einzelner Bildungsträger mehr meistern, das geht nur gemeinsam. Das ist der große Vorteil an einem gemeinsamen Netzwerk.
Gibt es positive Erfolgsgeschichten der letzten Jahre, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?
Eigentlich ist es bei 80 bis 90 % eine Erfolgsgeschichte.
Es ist immer eine Veränderung in dem persönlichen beruflichen Leben, wo die Weiterbildung absolviert wurde. Etwas anderes zu machen, einen Wiedereinstieg zu finden, einen neuen Berufsweg. Aus welchen persönlichen Gründen auch immer.
Ich sehe die berufliche Weiterbildung als eine Brücke: Wenn Krankheit, psychische Belastungen oder persönliche Dinge einen gerade irgendwo im Leben festhalten, kommt man so weiter.
Es gibt auch anstrengende Phasen. Es gibt aber auch immer noch einen Boden, der festhält, und jemanden, der motiviert, der auch wieder noch eine Tür öffnet. Und diese Phase brauchen viele Menschen, um wieder Mut zu haben in die eigenen Kompetenzen. Damit sie auf sich selbst wieder vertrauen können und ein Erfolgserlebnis spüren.
Sie haben es ja auch schon schön beantwortet, dass eigentlich die meisten Teilnehmer Helden sind in dem, was sie machen.
Das muss man auch erst mal so durchziehen. So ein Lerntag mit allem Drum und Dran.
Welche Rolle spielt lebenslanges Lernen in der beruflichen Bildung?
Also ich empfinde es so, dass unser Leben immer schneller wird. Es gibt Meilensteine in der zurückliegenden Entwicklung, die unser privates wie berufliches Leben maßgeblich verändert haben, wie die Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz. Lebenslanges Lernen, auch für jemanden, der 60 Jahre alt ist, ist ganz, ganz wichtig.
Um sich neue Inhalte zu erobern, braucht jemand mit Anfang 60 vielleicht länger als jemand mit Anfang 20. Aber es muss uns gelingen, dass die älteren Menschen nicht abgehängt werden. Dass es uns gelingt, dass sich die beiden unterhalten, der unter 30-Jährige und der über 60-Jährige. Ich glaube, dann haben wir mit den Erfahrungswerten von den Menschen, die über so viel berufliche Erfahrung verfügen, und den neuen Skills, mit denen die Jugend aufgewachsen sind, eine gute Basis.
Im Schulterschluss müssen die Jungen lernen, auf die Alten zuzugehen, und umgekehrt aber auch.
Stimmt. Super, vielen Dank. Dann sind wir auch schon bei der vorletzten Frage, und zwar, welche gemeinsamen Werte teilen das AWT und IBB?
Mein Anspruch ist, dass die Qualifizierung und die persönliche Betreuung von meinen Kunden die maximal beste Leistung sind, die wir erbringen können für den Kunden. Und das ist auch der gemeinsame Anspruch.
Es ist wichtig, dass wir einander zuhören und aufgeschlossen sind. Auch wenn das, was man gegenseitig so vorbringt, nicht immer gefällt, wie Kritik oder zum Beispiel schon wieder ein neues System. Aber es ist immer die Offenheit da, darüber zu sprechen.
Und das ist, glaube ich, das Allerwichtigste, dass bei allem, was man bereden muss - ob gute oder schlechtere Dinge -, diese Offenheit da ist. Und dass man dann gemeinsam eine Lösung findet - darauf vertraue ich. Und wenn wir uns das behalten, diesen Wunsch, es immer maximal gut zu machen, unter den Umständen, die da sind, und immer miteinander sprechen, dann hat das auch Bestand.
Welche drei Worte fallen Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an die Partnerschaft denken?
Ehrgeiz, Zuverlässigkeit, Qualität.
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